Dividendenstrategie

“You don't need to be a rocket scientist. Investing is not a game where the guy with the 160 IQ beats the guy with the 130 IQ. Rationality is essential.”

Warren Buffett

Die medial am stärksten vertretene Aktienanlagestrategie ist die Dividendenstrategie.

Um dir die Entscheidung zu erleichtern, ob der dividendenorientierte Ansatz als Investmentstrategie für dich der richtige ist, gebe ich hier einen Überblick über Vor- und Nachteile dieser Strategie.

Was ist Dividende?

Dividende bezeichnet die Gewinnausschüttung von Aktiengesellschaften an ihre Aktionäre. Diese Zahlung ist freiwillig und in ihrer Höhe nicht fest. Bei deutschen Unternehmen ist eine Zahlung pro Jahr üblich. Andernorts gibt es auch halbjährliche, quartalsweise oder sogar monatliche Ausschüttungen.

Was ist die Dividendenstrategie?

Dividendenstrategien orientieren sich, wie der Name schon sagt, an der Dividende der Unternehmen.

Eine der ältesten und wohl auch einfachsten Dividendenstrategien geht zurück auf Benjamin Graham und Michael B. O’Higgins – „Dogs of the Dow“. Dabei investiert der Anleger jahresweise jeweils in die Aktien mit der mit der höchsten Dividendenrendite (nach Graham) oder wählt aus diesen noch die Aktien mit dem niedrigsten Kurs aus (nach O’Higgins). Dividendenrendite bezeichnet dabei das Verhältnis von Dividende zu Aktienkurs.

Diese Strategie „funktioniert“ mit jedem Standardwerte-Index (Dow Jones, S&P 500, DAX, …). Die Idee dahinter ist, dass Blue Chip Aktien nie ganz die Anlegergunst verlieren. Die am niedrigsten bewerteten Aktien sollten also steigen. Während die Kurse der am höchsten bewerteten Aktien fallen sollten. Diese Idee der Rückkehr zum Mittelwert begegnet einem an Börsen immer wieder.

UnternehmenPreis 31.12.2020 [$]Dividendenrendite [%]Small Dogs
Chevron84.456.11-
IBM125.885.18-
Dow55.55.05x
Walgreens39.884.69x
Verizon58.754.27x
3M174.793.36-
Cisco44.393.24x
Merck81.83.18-
Amgen229.923.06-
Coca-Cola54.842.99x

Eine weitere sehr bekannte Strategie ist in Dividendenaristokraten zu investieren. Dividendenaristokraten sind in ihrer originalen Definition Unternehmen, die seit mindestens 25 Jahren ihre Dividenden jedes Jahr erhöht haben. Hier geht also als weiters Merkmal die Zahlungsstabilität ein. Die Ratingagentur Standard & Poors haben hierzu einen Index entwickelt für amerikanische Unternehmen.

Es gibt solche Indizes auch noch für andere Wirtschaftsräume (Europa, Vereinigtes Königreich, Asien-Pazifik, Schwellenländer). Bei diesen wird das Kriterium allerdings stark aufgeweicht. So reicht für Schwellenländer eine in den letzten 5 Jahren nicht gesenkte Dividende um im Index aufgenommen zu werden.

In anderen Ausformungen der Dividendenstrategie können weitere Bewertungszahlen aufgenommen werden. Häufig finden neben Dividendenrendite und der Kontinuität der Zahlungen noch die Ausschüttungsquote (welcher Teil des Gewinns wird für die Dividende ausgegeben) oder das durchschnittliche Wachstum der Dividende als Entscheidungskriterium Anwendung.

Wie schneiden Dividendenstrategien ab?

Nun da gibt es unterschiedliche Meinungen je nachdem wer die Statistik dazu erzeugt. Der Erfolg einer Aktienauswahlstrategie wird daran gemessen, ob bzw. wie viel sie besser ist/war als ein Investment in den Gesamtmarkt. Diese Gesamtmarktperformance wird gemeinhin gemessen am MSCI World Index. Dieser besteht aus einer Mischung von etwa 1600 Aktien aus 23 Industrieländern.

Dividendenstrategie-Erfolg-1
Abb. 1: Kursverlauf MSCI World vs. Dividendenstrategien 2016-2021 [Quelle: de.extraetf.com]

Aus Abbildung 1 kannst du ersehen, dass Dividendenstrategien in den letzten 5 Jahren schlechter performt haben als der marktbreite Index. In den 4 Jahren zuvor zeigte der Dividendenaristokraten-Ansatz eine leicht bessere Entwicklung als der MSCI World Index.

Der andere Dividendenindex lief deutlich schlechter (Abbildung 2). Hier werden Aktien, die in den letzten 5 Jahren keine Dividendenkürzung vorgenommen haben und deren Ausschüttungsquote eine gewisse grenze nicht übersteigt, nach Dividendenrendite gewichtet aufgenommen.

Dividendenstrategie-Erfolg-2
Abb. 2: Kursverlauf MSCI World vs. Dividendenstrategien 2012-2016 [Quelle: de.extraetf.com]

Du siehst also Dividendenstrategie ist nicht gleich Dividendenstrategie.

Drei kleine Anmerkung noch. Erstens, bei den angezeigten Kursverläufen handelt es sich nicht um den Verlauf der Indizes, sondern um den Verlauf des Wertes von ETF, die die Indizes abbilden. Da die ETF es zumeist nicht schaffen den Kursverlauf des zugrunde liegenden Index exakt abzubilden, gibt es hier geringe Abweichungen.

Zweitens, der Verlauf der Dividendenindizes ist unter Einberechnung und Reinvestierung der unversteuerten Dividenden gezeigt. In der Praxis können hier bei Überschreitung des Sparerpauschbetrags nur geringere Renditen erzielt werden, da Steuern zu entrichten sind.

Drittens findet man verschiedenste Auswertungen zum Thema Gesamtmarkt gegen Dividendenstrategie. Je nach dem welche Meinung zum Thema vertreten wird, findet sich der passende Zeitraum um das Argument für oder wider Dividendenstrategie zu untermauern.

Ausserdem kann man verschiedene Varianten der Indizes nutzen um in die eine oder andere Richtung die Performanceunterschiede zu verstärken. So werden beim total return index alle Dividenden und sonstige Zuflüsse komplett einberechnet, beim net return index vermindert um die anfallende Steuer.

Ein Vergleich des MSCI World Index mit dem MSCI World High Dividend Yield Index kann dann folgendermaßen aussehen:

Zeitraum Indexvariante

MSCI World p.a.

MSCI World Total

MSCI World HDY p.a.

MSCI World HDY totoal

01/1997-01/2007 Total return8.1%

117.6%

11.3%

191.7%

01/1997-01/2007 Net return7.6%

108.8%

10.6%

173.0%

01/2011-01/2021 Net return9.6%

150.6%

7.4%

103.7%

Learning: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Vorteile von Dividendenstrategien

Einfach einfach

Die Beliebtheit der Dividendenstrategien geht wohl auch auf die simple Umsetzbarkeit zurück. Statt langer Beschäftigung mit Unternehmenskennzahlen, reichen ein oder zwei einfach zu ermittelnde Werte zur Auswahl der Aktien.

Monatliche Belohnung

Für den Buy-and-Hold-Investor (kaufen und behalten) können die regelmäßigen Ausschüttungen psychologische Vorteile haben. Es ist in schlechten Marktphasen einfacher investiert zu bleiben, wenn man des Öfteren positives Feedback in Form von regelmäßigen Zahlungen bekommt.

Steuer

Bis zur Grenze des Sparerpauschbetrages sind ausschüttende Anlagen steuerlich im Vorteil. Da über die Laufzeit die Dividenden bereits (mit 0%) versteuert werden, sind die reinvestierten Dividenden unter 802 Euro im Jahr am Ende steuerfrei. In Tabelle 2 zeige ich dir die Rechnung für 10000 Euro Anlagesumme und 15 Jahre Anlagedauer. Dabei nehme ich einmal 5% p.a. Kursgewinne an und im anderen Fall entsteht der Gewinn aus Dividenden. Die Dividenden müssen natürlich jedes Jahr versteuert werden. Die Kursgewinne müssen erst versteuert werden, wenn sie realisiert werden. Also beim Verkauf, hier nach 15 Jahren.

Jahr5 % p.a.Kursgewinn5 % p.a.DividendeDividenden JahresendeSteuer auf Dividenden
010,000.00 €10,000.00 €500.00 €0.00 €
110,500.00 €10,500.00 €525.00 €0.00 €
211,025.00 €11,025.00 €551.25 €0.00 €
311,576.25 €11,576.25 €578.81 €0.00 €
412,155.06 €12,155.06 €607.75 €0.00 €
512,762.81 €12,762.81 €638.14 €0.00 €
613,400.95 €13,400.95 €670.04 €0.00 €
714,070.99 €14,070.99 €703.54 €0.00 €
814,774.53 €14,774.53 €738.72 €0.00 €
915,513.25 €15,513.25 €775.66 €0.00 €
1016,288.91 €16,288.91 €814.44 €3.42 €
1117,103.35 €17,099.93 €854.99 €13.97 €
1217,958.51 €17,940.95 €897.04 €25.32 €
1318,856.43 €18,812.67 €940.63 €36.66 €
1419,799.25 €19,716.64 €985.83 €48.53 €
1520,789.21 €20,653.94 €
Steuern2,845.66 €127.90 €
Gewinn7,425.97 €10,526.04 €

Die Dividenden ausschüttende Anlage bringt hier also 41,7 % mehr Gewinn. Aber das funktioniert eben nur bei geringen Ausschüttungen bis zu 801 € pro Jahr. In diesem Beispiel wäre ab 26000 € Anlagesumme die Anlage ohne Dividenden die bessere.

Glättungseffekte

Dieser Punkt wird gern angeführt: Die Dividende schwankt deutlich weniger als der Aktienkurs. Das rührt schon allein daher, dass die Dividende nur 1- bis 12-mal im Jahr gezahlt wird. Auch ist vielen Unternehmen an Konstanz der Zahlungen gelegen, um ihre Aktionäre zu halten.

Daraus soll sich bei Einbrüchen des Marktes ein Vorteil ergeben, da man keine Anteile verkaufen muss. Geht der Wert meiner Anteile in die Knie, muss ich viel mehr Anteile verkaufen. Schauen wir uns dazu ein Beispiel an. Wir entnehmen zu 3 verschiedenen Zeitpunkten 1000€ aus unserem 100000€ Depot. Nach der ersten Entnahme bricht der Markt um 50% ein und erholt sich nach der zweiten Entnahme wieder auf das alte Kursniveau.

 

Zuerst für die Entnahme durch Anteilsverkäufe:

AnteilsverkaufWertAnteileEntnahmeAnteile neuWert neuGesamtwert
1100100010990100

99000

2509902097050

48500

310097010960100

96000

Und nun für die Entnahme durch Dividendenausschüttung:

DividendenWertAnteileAusschüttungAnteile neuWert neuGesamtwert
110010001100099

99000

249.510001100048.5

48500

39710001100096

96000

Du siehst es macht absolut keinen Unterschied. Zu keinem Zeitpunkt. Der Wert des Depots bleibt der gleiche unabhängig von der Entnahmeart.

Aber was bleibt ist der psychologische Effekt. In der Entsparphase musst du so auch in einem Börsencrash keinen überproportionalen Teil deiner Anlage veräußern. Denn vielen Anlegern fällt es leichter Entnahmen aus ihrer Anlage über Dividendenzahlungen als über Verkäufe zu realisieren.

Nachteile von Dividendenstrategien

Clusterbildung

In einigen Sektoren sind Dividendenzahlungen üblicher und höher als in anderen. So zum Beispiel in der Finanzbranche oder der Öl- und Gasbranche. Aber auch die Pharmabranche lässt sich nicht lumpen. Dagegen sind Dividendenrenditen in der Tech-Branche eher gering.

Durch ausschließliche Konzentration auf die Dividendenrendite wirst du die Diversifikation minimieren und damit dein Verlustrisiko erhöhen.

Mangelnde Unternehmensinvestitionen

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Dividenden ausschüttende Unternehmen mit ihrem Gewinn nichts Besseres anzufangen wissen. Da sie die Gewinne nichtinvestieren, werden sie so stark wachsen, wie sie könnten. Damit ist die Gesamtrendite geringer, da der Unternehmenswert nicht so stark steigt wie möglich wäre. „Ein Unternehmen, das nicht wächst, ist ein Unternehmen das stirbt.“

Manchmal gibt es Gründe

Einige sehr beliebte Dividendenzahler zeigen eine negative Gesamtrendite. Hier kannst du dir zum Beispiel das Tabakunternehmen Altria anschauen. Altria verzeichnete seit 2017 etwa 50% Kursrückgang, schüttete aber etwa 16% Dividende bezogen auf den Kurs 2017 aus. Insgesamt bisher ein Verlustgeschäft.

Alleinige Konzentration auf die Höhe der Dividendenhöhe kann also gefährlich sein. Die Dividendenrendite kann ja aus zwei Gründen hoch sein. Erstens, die Dividende ist sehr hoch. Oder zweitens, der Aktienkurs ist sehr niedrig. In letzterem Fall ist die Frage nach dem Grund recht entscheidend.

Wenn der Grund für den niedrigen Kurs fortbesteht, wird der Kurs unter Umständen weiterhin fallen. Das hat natürlich Auswirkungen auf deine Gesamtperformance. Denn die besteht dann ja aus Dividende minus Kursverluste.

Steuer

Die Beliebtheit von Dividendenstrategien für Privatanleger hat einen weiteren Grund: Diese Strategien haben einen starken Hintergrund in den USA. Dort gibt es, im Gegensatz zu Deutschland, die Möglichkeit einen nicht unerheblichen Betrag aus Dividenden steuerfrei zu vereinnahmen. Das sind etwa 40‘000$ pro Jahr. Diese können dann steuerfrei reinvestiert werden. Außerdem können in speziellen Sparkonten (401(k), Roth IRA) die Dividenden ebenfalls steuerfrei reinvestiert werden.

Da das in Deutschland nicht möglich ist, bringen Anlageformen, die ohne Ausschüttung ihre Gewinne direkt reinvestieren Steuerstundungseffekte. Das heißt dein Geld kann den Zinseszins besser nutzen, da erst später Steuern abgehen.

Ein Beispiel: Die gleichen Aktien wie oben. Nur diesmal zahlen wir, weil wir es haben, 6‘000€ pro Jahr, das wären 500€ im Monat, über einen Sparplan ein.

Jahr5 % p.a. Kursgewinn5 % p.a. DividendeDividenden JahresendeSteuer auf Dividenden
06,000.00 €6,000.00 €300.00 €0.00 €
112,300.00 €12,300.00 €615.00 €0.00 €
218,915.00 €18,915.00 €945.75 €37.98 €
325,860.75 €25,822.77 €1,291.13 €129.24 €
433,153.78 €32,984.66 €1,649.23 €223.66 €
540,811.46 €40,410.23 €2,020.51 €321.51 €
648,852.03 €48,109.23 €2,405.46 €423.06 €
757,294.63 €56,091.64 €2,804.58 €528.29 €
866,159.36 €64,367.93 €3,218.39 €637.48 €
975,467.32 €72,948.83 €3,647.44 €750.63 €
1085,240.68 €81,845.64 €4,092.28 €868.00 €
1195,502.71 €91,069.92 €4,553.49 €989.59 €
12106,277.84 €100,633.82 €5,031.69 €1,115.66 €
13117,591.73 €110,549.85 €5,527.49 €1,246.48 €
14129,471.31 €120,830.86 €6,041.54 €1,382.05 €
15135,944.87 €125,490.35 €
Steuern11,906.69 €8,653.63 €
Gewinn34,038.18 €26,836.72 €

Fall 1: Auf die Aktie mit reinen Kursgewinnen zahlen wir erst am Ende der Laufzeit von hier 15 Jahren Steuern auf den Kapitalzuwachs. Hier etwa 12‘000 Euro auf die angefallenen 46‘000€ Kapitalzuwachs.

Fall 2: Auf die ausschüttende Aktie zahlen wir schon ab dem 3. Jahr Steuern. Dadurch können wir nicht den vollen Gebrauch vom Zinseszins machen. Nach den 15 Jahren haben wir zwar 3‘300 Euro weniger Steuern gezahlt als in Fall 1. Aber es liegen auch über 10‘000€ weniger im Depot. Und somit bleiben 21% weniger Gewinn. Anders ausgedrückt müssten wir hier noch zwei Jahre weiter sparen, um auf den gleichen Stand zu kommen wie im 1. Fall.

Fazit

Für mich hat eine Dividendenstrategie an zwei Stellen meiner Investitionsstrategie Berechtigung.

Und das wäre einerseits beim Kinderdepot. Hier jedoch in Form eines Ausschüttenden weltweit diversifizierten ETF. Aufgrund seiner geringen sonstigen Einkünfte könnte sich Sohnemann sogar mehr als den Sparerpauschbetrag steuerfrei ausschütten lassen.

Durch konsequente Reinvestierung steht er deutlich besser dar als mit der thesaurierenden Variante eines solchen ETF. Sollte er mal Anteile verkaufen wollen, sind die reinvestierten Ausschüttungen ja schon versteuert worden.

Außerdem erhoffe ich mir natürlich auch dass die regelmäßigen Einkünfte ihn motivieren dabei zu bleiben, wenn er selber dafür die Verantwortung trägt. Damit hätte er schonmal einen guten Start.

Andererseits sehe ich auch für mich den Reiz jeden Monat etwas auf mein Konto fließen zu sehen. Deshalb wird ein Anteil in meinem Portfolio auch aus Hochdividendenaktien bestehen. Den Sparerpauschbetrag plane ich zusätzlich durch Erträge aus P2P auszulasten. Dieser Hochrisikoteil soll auf Dauer aber nur einen kleinen Anteil an meinem Gesamtportfolio ausmachen. 

Das könnte dich auch interessieren:

LASS UNS IN VERBINDUNG BLEIBEN!

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.